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Nolls Passage

Samstag, 9. Juni 2012, 19:05 Uhr<  >

Tagebuch eines alten Narren

. — „Auf einmal umklammerte ich entschlossen ihre Schultern. Dann drückte ich auf die üppigste Stelle ihrer rechten Schulter meine Lippen und fuhr schnell mit meiner Zunge darüber hin – im gleichen Augenblick schlug sie, genau wie ich es erwartet hatte, mit der flachen Hand auf meine linke Wange.“ – „Das ist wirklich unverschämt! Ein alter Mann wie du!“ – „Ich dachte, du würdest mir wenigstens das erlauben...“ — Junichiro Tanizaki, Tagebuch eines alten Narren.
Samstag, 9. Juni 2012, 19:07 Uhr > Noll >
„Ich setzte mich auf mein Bett und ruhte mich aus. Bald darauf kam sie herein. Sie stand in einem langen gemusterten Gewand vor mir.“ – „Entschuldige, Ojiisan, daß ich das getan habe!“ – „Ach, lass nur...“ – „Hat es dir weh getan?“ – „Nein, nein. Aber ich bin ein wenig erschrocken.“ – „Ich habe es mir nun einmal angewöhnt, Männern gleich eine Ohrfeige zu geben, da ist mir die Hand einfach ausgerutscht...“ – „Das habe ich mir schon gedacht. Du hast diese Hand sicher vielen Männern zu spüren gegeben.“ – „Und trotzdem hätte ich es bei dir nicht tun dürfen, Ojiisan! Verzeih!“ — „Komm herein! Ich habe schon auf dich gewartet.“ – „Verzeih mir, bitte, wegen vorgestern!“ – „Ich musste heute unbedingt wieder kommen!“ – „Je älter man wird, desto frecher wird man wohl...“ – „Nachdem du mich vorgestern geohrfeigt hast, habe ich eigentlich Anspruch auf eine kleine Entschädigung!“ – „Absolut nicht. Schwöre mir lieber, dass du das nie wieder tun wirst.“ – „Bitte, lass mich heute deinen Hals küssen!“ – „Da bin ich viel zu empfindlich.“ – „Wo würdest du es mir dann erlauben?“ – „Nirgends. Ich hätte den ganzen Tag das Gefühl, als sei mir eine Nacktschnecke über die Haut gekrochen, und davor ekelt mir.“ — „Ich werde dich wieder schlagen müssen! Ich habe dir ja neulich bewiesen, dass ich mich darauf verstehe!“ – „Tu dir keinen Zwang an.“ – „Meine Hand sitzt locker. Wenn ich richtig zuschlage, fliegen dir die Augen aus dem Kopf!“ – „Genau das wünsche ich mir.“ – „Du bist ein perverser, alter Mann! Mit dir hat man es wirklich schwer. Du bist grässlich!“ – „Ich frage dich noch einmal: wohin darf ich dich denn küssen, wenn nicht auf den Hals?“ – „Unterhalb des Knies. Aber nur einmal! Du darfst mich auf keinen Fall mit der Zunge berühren. Nur mit den Lippen, verstanden?“ – „Küssen, ohne die Zunge zu gebrauchen, ist ja nun wirklich ein Unding!“ – „Es soll ja auch gar kein Kuss sein. Ich erlaube dir nur, mich mit deinen Lippen zu berühren. Das sollte dir genügen, Ojiisan.“ – „Könntest du wenigstens solange die Dusche abstellen?“ – „Nein, nein! Ich muss gleich Wasser über die Stellen laufen lassen, wo du mich berührt hast!“ – „Als ich sie küsste, hatte ich das Gefühl, nur Wasser zu schlucken.“ — Ebenda.
Samstag, 9. Juni 2012, 19:09 Uhr > Noll >
„Hör zu! Hast du nicht gesagt, du möchtest, dass ich etwas für dich tue? Aber solange du heulst, mache ich nichts!“ – „Dann höre ich eben auf“, sagte ich ruhig. – „Das meine ich auch!“ erwiderte sie. – „Wenn mir jemand ein solches Theater vormacht, werde ich nur noch dickköpfiger. Ich bin es gewohnt, meinen Willen durchzusetzen!“ – Ich verzichte darauf, hier alles umständlich zu berichten. Jedenfalls weigerte sie sich, mich zu küssen. Sie hieß mich nur, während unsere Lippen etwa einen Zentimeter voneinander entfernt waren, weit den Mund öffnen und ließ einen Tropfen Speichel aus ihrem Mund in den meinen fallen. – „So, das ist genug. Wenn dir das nicht genügt, mach, was du willst!“ – „Ich habe furchtbare Schmerzen! Furchtbare Schmerzen! Wirklich!“ – „Aber jetzt muss es doch besser geworden sein!“ – „Es tut weh! Entsetzlich weh!“ – „Du fängst schon wieder zu schreien an. Ich gehe sofort weg! Dann kannst du heulen soviel du willst!“ – „Satsuko, bitte! Erlaube mir, dass ich dich von jetzt an Sachan nenne!“ – „Albernes Zeug!“ – „Sachan!“ – „Alter Schmeichler und Heuchler! Wer würde darauf schon hereinfallen!“ – Wütend lief sie hinaus. — Ebenda.

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