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Nolls Passage

Sonntag, 6. Mai 2012, 10:09 Uhr<  >

Longtail

. — „Ich. In den drei Buchstaben liegt eine Welt von Verwüstungen, Irrtümern und Leidenschaften.“ – Walter Hasenclever, Irrtum und Leidenschaft.
Sonntag, 6. Mai 2012, 10:13 Uhr > Noll >
„Fünfzig Jahre. Jetzt kommt nicht mehr viel. Ein paar Abenteuer, die im voraus zur Langeweile verurteilt sind. Etwas Sehnsucht nach früher und die sogenannte Resignation. Ich bin arm. Ich habe keine Hoffnungen mehr. Es geht abwärts. (...) Wenn ich in diesem Ton von mir rede, so geschieht es, weil ich mit mir selber ins reine kommen muss. Ich habe Bilanz gemacht und festgestellt, dass ich noch ein Jahr zu leben habe und dass das Glück, mit dem es mir bisher immer gelungen ist, im richtigen Moment die notwendigen Mittel zu finden, mich scheinbar verlassen hat. Meine Freunde sind tot oder verschollen. Da ich nie einen Beruf hatte und nur zu meinem Vergnügen gearbeitet habe, sehe ich keine Möglichkeit, auf der absteigenden Ebene eine neue Existenz zu gründen. Ich war stets ein unsoziales Wesen, nutzloses Mitglied der menschlichen Gemeinschaft. Soll ich in meinen Jahren, um nicht zu verhungern, Dolmetscher werden, weil ich zufällig drei Sprachen kann? Ich werde ins beste Schweizer Hotel gehen, um ganz sicher zu sein, dass mich nichts mehr am Leben hält, und zum letztenmal in einem dieser tödlich langweiligen Speisesäle zu Abend essen. Dann werde ich in aller Seelenruhe ein paar Tabletten nehmen und einen langen Spaziergang machen. Die Kälte wird zunehmen, eine lähmende Müdigkeit wird die erste Erstarrung hervorrufen, ich werde mich an einem abgelegenen Ort in den Schnee legen und einschlafen. Ohne Lautsprecher. Ohne Tanzmusik. Ohne den Bekehrungsversuch sentimentaler Schwätzer. Nervenklar. Unter Sternen. Vorbei. Aber soweit sind wir noch nicht. Vorläufig habe ich noch ein Jahr vor mir. Ich will etwas mit diesem Jahr anfangen. Ich werde Mommsens Römische Geschichte lesen, ein paar Bände Schopenhauer und wieder einmal die Education von Flaubert. Doch das genügt nicht. Diese tägliche Abfütterung in schlechten Lokalen, die ich mir jetzt nur noch leisten kann, das Vegetieren zwischen ungemachtem Bett und billigen Cafes, der monotone Spaziergang morgens im Luxembourg und abends an der Seine, die eingeteilten Zigaretten am Tag, das leere Gefühl vor dem Schlafengehen – das alles ekelt mich an. Was soll ich tun? Ich bin ganz allein.“ – Ebenda.

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